Wie steht es mit der Unabhängigkeit der Revisionsfirmen?

Nach dem Zusammenbruch von Enron wie auch nach jenem der Swissair standen nicht nur die oberste Geschäftsleitung und der Verwaltungsrat am Pranger, sondern besonders auch die Revisionsfirmen, die die Rechnungen von Enron und Swissair geprüft und abgesegnet hatten.

Der Markt der Revisionsfirmen, welche Rechnungen prüfen und Audits (Prüfberichte) erstellen, wird dominiert von den "Big Five" (bald nur noch "Big Four" nach dem Auseinanderbrechen von Arthur Anderson): PricewaterhouseCoopers, KPMG, Deloitte Touche Tohmatsu und Ernst & Young. Während langer Zeit hatten diese Firmen neben dem Auftrag der Rechnungsprüfung auch Beraterverträge für die gleichen Unternehmen, welche normalerweise deutlich besser bezahlt sind als die Rechnungsprüfung. Diese Vermischung der Aufgaben liess Zweifel aufkommen an der Unabhängigkeit der "Big Five". Unter Präsident Clinton hat der Präsident der Securities and Exchange Commission, Arthur Levitt, diese Vermischung der Aufgabenbereiche verboten. Verschiedene Revisionsfirmen haben darauf die Prüfungs- von der Beratertätigkeit getrennt. In der Schweiz hat zum Beispiel Novartis 2001 an PricewaterhouseCoopers rund 11,5 Millionen Franken bezahlt für die Prüfung der Jahresrechnung und 58,3 Millionen Franken für andere Dienstleistungen in den Bereichen Management, Steuerberatung, Human Resources, Buchhaltung, Sorgfaltsprüfung etc. (Novartis, Geschäftsbericht 2001, S.59) In Frankreich sind die Revisionsfirmen gesetzlich verpflichtet, von ihnen aufgedeckte strafbare Tatsachen dem Staatsanwalt zu melden. Tun sie dies nicht, so können sie strafrechtlich verfolgt werden. In den USA existiert keine solche Bestimmung. Das Schweizerische Obligationenrecht bestimmt, dass die Revisoren den Verwaltungsrat informieren müssen und in schwerwiegenden Fällen die Generalversammlung. Nur bei offensichtlicher Überschuldung muss ein Richter informiert werden, falls dies der Verwaltungsrat unterlässt. (OR 729b)

Ein anderes Hindernis für die Unabhängigkeit der Revisionsfirmen ist – zumindest in den USA – das politische Lobbying. Arthur Andersen hat bei den Wahlen 2000 sowohl Republikaner wie Demokraten mit einer namhaften Summe unterstützt (Alternatives économiques, Mai 2002). Nach den Wahlen wurde Arthur Lewitt durch Harvey I. Pitt ersetzt, einen der grössten Lobbyisten der "Big Five", der sich in den 90er Jahren besonders für ein Gesetz einsetzte, das die Revisionsfirmen und deren Chefs vor Klagen der AktionärInnen schützen sollte.

Was hat das alles mit ACTARES zu tun? Unsere Forderungen nach Transparenz im Gesellschafts- und Umweltbereich kann nur mit ausführlicher Berichterstattung erfüllt werden. Auch diese Berichte müssen, wie die Finanzberichte, von externen Instanzen geprüft werden. Neben der Frage der Unabhängigkeit stellt sich uns die Frage der Kompetenzen. Verfügen diese Firmen über genügend qualifizierte ExpertInnen im Umwelt- und Sozialbereich? Ein Beispiel: Dara O'Rourke vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) begleitete einen Experten von PricewaterhouseCoopers nach China, Südkorea und Indonesien. Dabei zeigten sich die Grenzen eines Buchprüfers bei der Beurteilung der Arbeitsbedingungen. Es entgingen ihm der Gebrauch von gefährlichen Chemieprodukten, mangelnde Hygiene- und Gesundheitsmassnahmen, Hindernisse bei der Versammlungs- und Organisationsfreiheit, Missbräuche bei der Überstundenregelung und die Manipulation von Stempeluhren.

Dara O'Rourke, Monitoring the Monitors: a Critique of PricewaterhouseCoopers (PwC) Labor Monitoring, September 2000. Link zur Studie