Vergütung und Nachhaltigkeit

Mehr Lohn für mehr Nachhaltigkeit Die Vergütung der Unternehmensspitzen ist für viele ein Reizthema. Hat sie auch Potenzial für positive Veränderungen?

Goldene Handschläge, Handschellen und Fallschirme. Boni, Aktienpakete und Kompensationszahlungen. Fringe Benefits und geldwerte Vorteile. Die Sprache rund um die Vergütung der Topkader grosser Unternehmen ist reichhaltig. Sie macht deutlich, dass die Vergütung des Spitzenpersonals aus Sicht der Unternehmen ein feinkalibriertes System von Anreizen sein muss. Aber Anreize wofür? Dies wollen wir hier in Bezug auf die variable Vergütung erkunden.

Variable Vergütung soll Topkader auf Kurs halten

Zweck der variablen Vergütung ist es, die persönlichen Interessen der Geschäftsleitungsmitglieder in Einklang zu bringen mit den übergeordneten Interessen des Unternehmens. Sie ist ein Anreiz, im Voraus definierte Unternehmensziele umzusetzen. Dieses Prinzip hat eine Kehrseite: Wenn gut gesetzte Anreize zu korrektem Handeln anleiten, verleiten schlecht gesetzte Anreize zu schlechtem Handeln – die letzten Jahre von Credit Suisse haben dies illustriert.

Die Vergütungen für Geschäftsleitungsmitglieder setzen sich bei grösseren Unternehmen zusammen aus einem fixen Grundlohn und einem variablen Lohnanteil. Der variable Lohnanteil wiederum enthält eine kurzfristige Komponente (einen jährlich ausbezahlten Cash-Bonus) und eine langfristige Komponente (ausbezahlt in Aktien oder Optionen, auf Basis einer längeren Bemessungsperiode, meist drei bis fünf Jahre).

Über die Höhe der Gesamtvergütungssumme entscheidet letztlich die Generalversammlung. Aber in der Praxis existieren Schlupflöcher, die es ermöglichen, das Prinzip «Je besser die Leistung, desto höher der Lohn» zu unterlaufen: Vertrauliche Leistungsziele und komplizierte Berechnungsmethoden erschweren die Beurteilung, ob die Höhe der Vergütung der Leistung entspricht. Die langfristige Vergütung kann doppelt so hoch ausfallen wie von der Generalversammlung genehmigt, weil im GV-Antrag eine Hebelwirkung bei Übererfüllung des Ziels verschwiegen wird. Manche variablen Vergütungskomponenten sind in Wirklichkeit gar nicht an Leistungsziele geknüpft. Und andere Vergütungskomponenten hängen mehr vom wohlwollenden Ermessen des Verwaltungsrats ab statt von transparenten Kriterien.

Auch um die Wirkung solcher Schlupflöcher zu minimieren, legen die Abstimmungskriterien von Actares fest, dass die variable Vergütung nicht mehr als ein Drittel der Gesamtvergütung ausmachen soll.

Nachhaltigkeit immer häufiger Teil der variablen Vergütung

Die variable Vergütung schafft nicht nur Probleme, sondern bietet auch Chancen. Aus der Sicht von Actares stellt sich schon länger die Frage, ob die variable Vergütung, wenn schon allgegenwärtig, nicht auch der Nachhaltigkeit dienen könnte. Bereits vor zehn Jahren fragte Actares die Unternehmen im Swiss Market Index (SMI), ob ihr Vergütungssystem für die Geschäftsleitung Nachhaltigkeitsziele berücksichtigt. Damals behauptete das eine oder andere Unternehmen, dies sei nicht nötig, weil nachhaltiges Handeln ohnehin selbstverständlich sei. Solche Einstellungen sind, zumindest bei SMI-Unternehmen, kaum mehr zu finden. Veränderte gesellschaftliche Erwartungen und regulatorischer Druck führten dazu, dass Nachhaltigkeitsziele für die Vergütung heute die Norm sind.

Das Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen KPMG International analysierte die Berichterstattung 2023 der jeweils 25 grössten börsenkotierten Unternehmen in 15 Ländern in Nordamerika, Westeuropa und Ostasien – und fand heraus, dass 78 Prozent der insgesamt 375 analysierten Unternehmen Nachhaltigkeitsziele für die Vergütung der Geschäftsleitung berücksichtigen.

Für die Schweiz (in der KPMG-Studie nicht miteingeschlossen) existieren ähnliche Zahlen. Eine Untersuchung des Beratungsunternehmens SWIPRA Services von 2024 ergab, dass zwei Drittel der 100 grössten börsenkotierten Unternehmen Nachhaltigkeitsziele setzen.

Die Actares-Abstimmungskriterien honorieren die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitszielen: Wenn sie die variable Vergütung wesentlich beeinflussen, darf diese die Hälfte statt nur einen Drittel der Gesamtvergütung ausmachen.

Vergütungsrelevante Nachhaltigkeitsziele: Der Teufel steckt im Detail

Laut KPMG-Studie bezieht sich die Hälfte der Nachhaltigkeitsziele aufs Klima oder auf die Förderung und das Wohlbefinden der eigenen Angestellten. Andere häufige Themen sind Compliance, Kundenzufriedenheit, Kreislaufwirtschaft und Arbeitsbedingungen in Zulieferbetrieben. Beispiele für konkrete operative Ziele sind: Senkung von Treibhausgasemissionen, Wasserverbrauch oder Abfallproduktion; Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen; oder Elimination von Arbeitsunfällen.

Dass Nachhaltigkeitsziele zum festen Bestandteil von Vergütungssystemen werden, ist ermutigend – aber der Teufel steckt wie immer im Detail. Um zu beurteilen, ob Nachhaltigkeitsziele Wirkung entfalten können, müssen verschiedene Punkte geklärt werden:

  • • Wird die kurz- oder die langfristige variable Vergütung beeinflusst? Die oben erwähnte KMPG-Studie ermittelte, dass Nachhaltigkeitskriterien bei 40 Prozent der Unternehmen die kurzfristige Vergütung betreffen, bei 23 Prozent die langfristige und bei 37 Prozent die kurz- und langfristige Vergütung. Welcher Ansatz sinnvoller ist, hängt vom spezifischen Ziel ab: Sicherheit am Arbeitsplatz kann gut von Jahr zu Jahr beurteilt werden, während die Reduktion von Treib­haus­gasemissionen einen längeren Zeithorizont voraussetzt und nicht immer linear verläuft – eine Betrachtung über drei Jahre, wie sie der Langzeitvergütung zugrunde liegt, kann Ausschläge glätten.
  • • Wird die Zielerreichung gemessen oder nur abgeschätzt? Dem Management-Guru Peter Drucker wird oft die Aussage zugeschrieben, dass man nicht verbessern könne, was man nicht messen könne. Wird die Ziel­erreichung nur qualitativ beurteilt oder liegt sie im Ermessen des Verwaltungsrats, ist das Potenzial für Missbrauch und Gefälligkeiten gross. Die oben genannten Beispiele für operative Nachhaltigkeitsziele lassen sich alle messen und in Franken und Rappen umrechnen.
  • • Wie plausibel ist das Veränderungspotenzial? Die Wirkung einer Teilnahme des CEO an Klimainitiativen der Branche ist schwierig zu beziffern – ein Reduktionsziel für Emissionen um 25 Prozent bis zum Jahr 2030 nimmt dagegen eine reale Verbesserung ins Visier.
  • • Sind die Zielwerte ehrgeizig genug? Wird ein Nachhaltigkeitsziel jedes Jahr übererfüllt oder vor der Zeit erreicht, müsste es vielleicht anspruchsvoller sein.

Actares-Praxis zeigt: Schweizer Unternehmen müssen nachbessern

Bei den SMI-Unternehmen zeigen die Vergütungsberichte der letzten zwölf Monate folgendes Bild: 15 Unternehmen setzen Nachhaltigkeitsziele für die kurzfristige, neun Unternehmen für die langfristige variable Vergütung (es gibt Unternehmen, die beide Vergütungskomponenten berücksichtigen). Das Gewicht der Nachhaltigkeitsziele beträgt in der Regel zwischen 10 und 20 Prozent der jeweiligen Vergütungskomponente.

Grosse Unterschiede gibt es bei der Offenlegung von Zielgrössen und der Berechnung der ausbezahlten Beträge. Während Holcim die Ziele für die Senkung von Treibhausgasemissionen, Wasserverbrauch und Abfallproduktion präzise quantifiziert, teilt Roche nur mit, dass Umwelt- und Klimaziele existieren, aber dass deren Gewichtung im Ermessen des Verwaltungsrats liege. Bei der Offenlegung von Details rund um Nachhaltigkeitsziele verhalten sich die meisten Unternehmen also ähnlich zurückhaltend wie bei Details zu finanziellen Zielen. Bei Letzteren haben sie immerhin das Argument, dass diese Rückschlüsse auf die Geschäftsstrategie zulassen und deshalb vertraulich sein müssen. Bei Nachhaltigkeitszielen verfängt dieses Argument nicht.

Das Fazit von Actares aus den letzten zehn Jahren: Viele Unternehmen müssen transparenter werden und explizit belegen, dass vergütungsrelevante Nachhaltigkeitsziele messbar sind, auf reale Veränderungen abzielen und ehrgeizige Zielgrössen und Erfüllungsfristen anstreben. Sonst bleibt es schwierig zu beurteilen, ob die Vergütungsanreize für mehr Nachhaltigkeit glaubwürdig sind – oder nur Mogelpackungen.