Freiwilligkeit alleine genügt nicht

Die grössten Unternehmen der Schweiz bekennen sich öffentlich zum Schutz von Menschenrechten und Umwelt. Aber wie ernst meinen sie das? Eine Actares-Umfrage gibt Hinweise.

Die Konzernverantwortungsinitiative (Kovi) möchte für multinationale Unternehmen drei Pflichten im Gesetz verankern. Erstens: Sorgfaltsprüfung bezüglich der Tätigkeit von Tochterfirmen und Zulieferern; zweitens: Berichterstattung über ergriffene Massnahmen; drittens: Haftpflicht für Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden bei verletzter Sorgfaltspflicht.

Zustimmung und Bedenken
Actares hat die 100 grössten in der Schweiz ansässigen Unternehmen zur Kovi befragt. Drei Viertel der SMI-Unternehmen, aber nur etwa ein Zehntel der übrigen haben geantwortet. Das Resultat: Wenig kontrovers ist die Pflicht zur Berichterstattung über ergriffene Massnahmen. Statt einer verbindlichen Sorgfaltspflicht bevorzugen manche Unternehmen hingegen einen «risikobasierten Ansatz», der weniger aufwendig ist, weil er ausführliche Sorgfaltsprüfungen nur dort vorsieht, wo ein grosses Risiko von Schäden für Mensch oder Umwelt besteht.

Bedenken werden bezüglich der Haftpflicht angemeldet. Sie führe zu Rechtsunsicherheit, weil nicht klar sei, wie Schweizer Gerichte bei fehlenden Rechtshilfeabkommen eine Untersuchung durchführen sollten. Die Haftpflicht verschlechtere zudem die Lage von lokalen Zulieferern: Um Risiken zu minimieren, müssten sie ins Unternehmen integriert oder von der Lieferkette ausgeschlossen werden. Die Argumente der Unternehmen decken sich vollumfänglich mit denen der Wirtschaftsverbände, die hier wohl als Souffleure gewirkt haben.

Actares meint: Der Status quo reicht nicht
Unternehmen und Verbände verteidigen den regulatorischen Status quo und verweisen auf internationale Übereinkommen: UNO Global Compact; UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte oder OECD-Richtlinien für multinationale Unternehmen. Die befragten Unternehmen haben viele dieser Übereinkommen bereits unterzeichnet.

Aus der Sicht von Actares sind die ins Feld geführten Argumente widersprüchlich. So empfehlen die UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, welche die antwortenden Unternehmen als gute Richtschnur sehen, gerade das, was sie als inakzeptabel bezeichnen – dass die Sitzstaaten von Unternehmen deren Tätigkeit im Ausland regulieren, bis hin zu extraterritorialer Gerichtsbarkeit. Die Unternehmen fürchten, dass die Kovi Rechtsunsicherheit schaffe. Actares und das Aktionariat fürchten vielmehr die rechtlichen und finanziellen Konsequenzen, die unverantwortlich handelnden Unternehmen drohen. Die Erfahrung von Actares zeigt gerade, dass Freiwilligkeit nicht genügt: In den letzten Jahren waren Unternehmen aus dem Swiss Market Index im Ausland verwickelt in Schmiergeldzahlungen an Bürgerkriegsparteien, Arbeitskonflikte, Kämpfe um Grundwasserressourcen oder das Bienensterben.

Bericht zur Umfrage


Gespräch mit Geberit
Im Anschluss an die Umfrage schlug Actares den Unternehmen, die am positivsten geantwortet hatten, ein Gespräch vor. Zusammen mit Vertretern der Kovi trafen wir Anfang November Albert Baehny, den VR-Präsidenten von Geberit. Dieses Unternehmen ist bekannt dafür, in den Nachhaltigkeits-Ratings regelmässig bei den Leadern zu landen. Der interessante Austausch dauerte etwa eine Stunde. Herr Baehny ist überzeugt, dass Geberit jetzt schon die Anforderungen der Initiative erfüllt: «Neue Gesetze würden nichts ändern für Geberit. Eine gesetzliche Sorgfaltspflicht macht uns keine Angst.» Geberit sei auch darum besorgt, dass angerichtete Schäden behoben würden. Die Lieferanten würden jährlich überprüft, in heiklen Ländern sogar vierteljährlich. Einzig bei der Haftpflicht hat Herr Baehny Bedenken. Bezüglich gesetzlicher Regelung zeigte sich Geberit kritisch, weil es schon genug Gesetze gebe. Zudem wolle sich Geberit grundsätzlich nicht in die Politik einmischen und werde nicht aktiv am Abstimmungskampf teilnehmen.