Votum von Actares an der Roche-GV 2017

Mein Name ist Veronika Hendry. Ich bin Vorstandsmitglied von Actares, dem Aktionariat für nachhaltiges und sozialverträgliches Wirtschaften. Wir erstellen für unsere Mitglieder Abstimmungsempfehlungen mit Schwerpunkt auf diesen Themen und nehmen an den Generalversammlungen die an uns delegierten Stimmrechte war.

Zugegeben: Nachhaltigkeit ist heute teilweise zu einem Containerbegriff geworden. Für Actares sind - bezogen auf die Pharmaindustrie - drei Punkte von besonderer Wichtigkeit.

  1. Ein sorgfältiger Umgang mit Ressourcen und den damit verbundenen Folgen für Mensch, Tier und Umwelt.
  2. Strikte Vorgabe und Durchsetzung von Complianceregeln, auch ausserhalb der Schweiz.
  3. Faire Preise oder Spenden in Ländern, wo der Zugang zu Medikamenten weitaus schwieriger ist als in entwickelten Industrieländern.

Lassen Sie mich einiges zum letztgenannten Punkt sagen.

Über die Zugänglichkeit gibt in anerkannter Weise der Access to Medicine Index Auskunft. Roche verweigert als einziger der 20 grössten Pharmakonzerne die Zusammenarbeit, weil der Index Onkologie-Präparate nicht mit berücksichtigt.

Wir haben uns den Bericht trotzdem angeschaut und dabei festgestellt, dass er über positive Aktivitäten von Roche teilweise präzisere Informationen gibt als der Geschäftsbericht selber.

In diesem habe wir uns - stellvertretend für unsere Aktionärinnen und Aktionäre - das Kapitel „Zugang zur Gesundheitsversorgung“ genauer angeschaut, beginnend mit dem Slogan:

"Errungenschaften medizinischer Forschung sind nur bedeutsam, wenn sie für Patientinnen und Patienten zugänglich sind."

Roche schreibt, dass 60 Pläne entwickelt wurden, die klar beschreiben, wie die Zugangsbarrieren beseitigt werden können. Weitere Details fehlen. Die interessierte Aktionärin, der interessierte Aktionär bleibt frustriert zurück, weil er oder sie gerne mehr über das Wie und Wo erfahren hätte.

Roche betont die Zusammenarbeit mit Patientenorganisationen als Möglichkeit des Erfahrungsaustausches. Hellhöriger wird man, wenn man liest, dass im Rahmen einer europäischen Patientenakademie Patienten ausgebildet werden, damit sie später die Regierungen ihrer Länder bei der Zulassung von Medikamenten beraten können.

Wir wüssten gerne mehr über Form und Inhalt dieser Schulungen, für welche Länder diese Patienten zu Beratenden ihrer Regierungen ausgebildet werden und ob ihre Tätigkeit sich auf Produkte von Roche oder auch anderer Hersteller bezieht.

Als weiteres Mittel, um den Zugang zu Medikamenten zu erleichtern, sieht Roche das Erstellen von privaten Versicherungen, insbesondere für Krebserkrankungen in China, Indien, und Thailand, dies in Zusammenarbeit u.a. auch mit Swiss Re.

Wir fragen uns, wie dieses Modell in Schwellenländern, wo es sehr reiche, aber auch bitterarme Menschen gibt, funktionieren soll. Wie kann sich ein Mensch, der von einem Dollar pro Tag lebt, eine Krebsversicherung leisten? Besteht mit solchen Versicherungen nicht die Gefahr, dass die Medikamentenpreise auf hohem Niveau für das ganze Land gehalten werden, auch wenn ein Staat die hohen Kosten nicht übernehmen kann? Dazu ein trauriges Beispiel:

Im Februar demonstrierten weltweit vor Roche-Niederlassungen Mitglieder von 108 Organisationen, darunter krebskranke Frauen sowie medizinische Fachleute.

Anlass war der Tod einer Südafrikanerin, die sich eine Therapie mit Herceptin, das für ihre Krebsart bestens geeignet gewesen wäre, nicht leisten konnte.

Die jährlichen Kosten für eine Herceptin- Therapie kostet in Südafrika rund 38 000 US Dollar. Wer Glück hat erhält eine Behandlung in einer öffentlichen Stelle mit beschränktem Behandlungsangebot, die für Herceptin rund die Hälfte zahlt, d.h.ca. 15 735 US Dollar .

Laut Gesundheitsökonomen kostet eine Jahresbehandlung aufgrund der reinen Produktionskosten, aber ohne Forschung und Entwicklung zwischen 120 und 240 US Dollar. Bei einem Reingewinn von damals 8.9 Milliarden US Dollar würde es Roche wohl anstehen, den Zugang zu Krebsmedikamenten in armen Ländern nachweislich zu erleichtern.

Fragwürdig ist auch, wie Roche mit Kritik umgeht. In der letzten Sonntagszeitung wird über ein Beispiel berichtet, das kein gutes Licht auf Roche wirft. 2016 veröffentlichte die Organisation Public Eye einen Studie, in der auch eine ägyptische Teilnehmerin mit Bild und Name kritisch über ihre Erfahrungen berichtete. Alles mit ihrem Einverständnis, selbstverständlich. Darauf flog eine siebenköpfige Roche-Delegation nach Kairo und liess die Ägypterin Dokumente unterschreiben, in der sie ihr Einverständnis widerrief. Anschliessend reichte der Basler Rechtsanwalt Benedikt A. Suter im Namen der Patientin bei einem Schweizer Gericht ein Gesuch ein, dass Public Eye verboten werde, weiterhin ihr Bild zu zeigen, ihren Namen zu nennen. Das Gericht lehnte dies aufgrund von Gegenbeweisen von Public Eye ab. Wie Suter mitteilte, will die Frau aus finanziellen Gründen das Urteil nicht weiterziehen. Actares fragt sich, welche Rolle Roche dabei spielt. Auch Actares hat Roche zu diesem Fall Fragen gestellt, dabei aber keine überzeugenden Antworten bekommen.

Alles keine guten Beispiele für die Reputation von Roche. Darum verlangen wir folgende drei Punkte:

  1. Eine aussagekräftigere Berichterstattung im Jahresbericht zum Thema Zulassung zur Gesundheitsversorgung.
  2. Ein angemessener und konstruktiverer Umgang mit Kritik von Nichtregierungsorganisationen.
  3. Eine nachvollziehbare Umsetzung des Slogans "Errungenschaften medizinischer Forschung sind nur bedeutsam, wenn sie für Patientinnen und Patienten zugänglich sind".

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Votantin: Veronika Hendry, Vorstandsmitglied von Actares)