Votum von Actares an der Novartis-GV 2019

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Verwaltungsräte, sehr geehrte Anwesende

Mein Name ist Veronika Hendry. Ich bin Präsidentin von Actares, dem Aktionariat für nachhaltiges und sozialverträgliches Wirtschaften.

Actares erarbeitet Abstimmungsempfehlungen für seine Mitglieder und vertritt deren Stimmrechte und Anliegen an den Jahresversammlungen wie hier und heute bei Novartis.

Ich möchte heute mit einem Dank an Novartis beginnen.

Im Vorfeld der Generalversammlungen stellt Actares den Firmen jeweils ein mehrseitiges Schreiben mit kritischen Fragen zu, die in der Regel mehr oder weniger ausführlich beantwortet werden.

Da unterscheidet sich Novartis positiv. Die Antworten sind ausführlich, sachlich und zeigen eine grosse Diskussionsbereitschaft. Mit einer Ausnahme: Wenn es darum geht, wie Medikamentenpreise zustande kommen gibt es nur eine Antwort: No comment.

Trotzdem: Actares bedankt sich bei den Mitarbeitenden, die diese Antworten erarbeiten und beim Management und dem Verwaltungsrat, die eine solche Art der Unternehmenskommunikation ermöglichen.

Dank den ausführlichen Antworten auf unser Schreiben, erübrigt es sich z.B. heute nochmals Fragen zu der leidigen Geschichte der Novartis-Zahlungen an Ex-Trump-Anwalt Cohen zurückzukommen. Actares hofft, dass die aufgegleisten Compliance-Massnahmen endlich greifen, die noch existierenden, älteren Problemen gelöste werden und diese leidigen Kapitel ad acta gelegt werden können.

Nun aber zum kritischeren Teil. Novartis befindet sich offenbar in einem tiefgreifenden, wenn nicht gar radikalen Umbau.

Zwei Stichworte dazu: Weg aus der Forschung zu Antibiotika, hin zu lukrativeren, gentechnisch hergestellten Produkten.

Noch vor 2 Jahren verkündete Novartis «den Kampf gegen die Superkeime». Inzwischen wurde die Forschung eingestellt und 140 Personen in den USA entlassen.

Actares möchte wissen, warum sich Novartis als einer der weltweit grössten Pharmakonzerne aus der Forschung und Produktion von überlebenswichtigen Medikamenten wie Antibiotikas, zurückzieht. (tagesschau.de 13. 07. 2018)

Actares ist besorgt, über den Fund von ultraresistenten Keimen im Umfeld der indischen Firma MSN, die auch Zulieferer von Sandoz sein soll. Diese sogenannten Neu-Dehli-Keime sollen auch im Rhein in Basel gefunden worden sein. Mitgebracht vermutlich durch Reisende.

  • Besteht diese Zusammenarbeit von MSN und Sandoz tatsächlich? Wenn ja: wie wird das Abwassermanagement dieses Zulieferers kontrolliert?

  • Ist die Entwicklung von antivitalen und antibiotischen Medikamenten nicht nur zu wenig lukrativ, sondern auch zu riskant, weil man deren Produktion aus Kostengründen nach Asien auslagert?

Im vergangenen Dezember bestätigte Herr Narashimhan, dass sich Novartis neu aufstelle: weg von chemisch hergestellten Medikamenten für eine breite Masse von Patienten, hin zu hochtechnologischen Produkten für seltene Krankheiten.

Er ist überzeugt, dass 6 - 7stellige Preise für solche einmaligen Behandlungen durchaus realistisch sind. (NZZ, 29. 12. 18) Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: Über eine Million für eine Behandlung, die zwar Menschenleben retten kann und sicher auch die weiteren Behandlungs- und Spitalkosten reduziert. Bezahlen sollen das die staatlichen Versicherungssysteme, die aber keine Auskunft erhalten, welche Kosten für Forschung, Entwicklung und Bereitstellung hinter solchen Produkten stecken.

Vor einem Jahr habe ich Ihnen, Herr Dr. Reinhardt Fragen zu Kymriah gestellt. Dessen Anwendung kostete damals in den USA ca. 500 000$. Sie haben mir geantwortet, dass damit die Selbstkosten für Novartis noch nicht gedeckt seien.

Herr Narasimhan, Herr Reinhardt: Mit diesem Geschäftsmodell nehmen sie die solidarischen Versicherungssysteme in eine ethische Geiselhaft.

Kaum jemand in der Bevölkerung wird einem schwerkranken Kind oder Erwachsenen eine solche Behandlung versagen wollen. Im Moment findet eine breite Diskussion um die exorbitanten Preise für Krebsmedikamente statt. Schon diese Diskussion schürt Ressentiment und Unverständnis in der Bevölkerung.

Daher unsere Forderung: Wenn schon solch exorbitante Produktepreise, dann schaffen sie auch mehr Transparenz, wie es zu solchen Preisen kommt. ich wissen wir noch nicht, wie langfristig Heilungserfolge z. B. von Kymriah anhalten.

Geht die Entwicklung so weiter, werden Sie nicht nur ein Access-to-medicine Programm für Entwicklungs- und Schwellenländern entwickeln müssen, sondern eines, das auch uns Patienten in Industrieländern Zugang zu Medikamenten verschafft, die unsere Krankenkassen nicht mehr bezahlen können.

Sorgen Sie dafür, dass es nicht so weit kommt!

Danke für Ihre Aufmerksamkeit!

(Votantin: Veronika Hendry, Präsidentin von Actares)