Votum von Actares an der Novartis-GV 2018

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren des Verwaltungsrates, sehr geehrte Anwesende

Mein Name ist Veronika Hendry. Ich bin Präsidentin von Actares, dem Aktionariat für nachhaltiges und sozialverträgliches Wirtschaften.

Actares erarbeitet Abstimmungs­empfehlungen für seine Mitglieder und vertritt deren Stimmrechte an den Jahres­versamm­lungen, z.B. auch hier bei Novartis.

Normalerweise versuche ich immer eine Balance zwischen negativen und positiven Themen zu finden.

Leider reicht die Zeit heute nur für zwei problematische bis sehr problematische Anliegen.

Sie erahnen es vielleicht: es geht einmal mehr um vermutete Korruption und es geht geht um Medikamentenpreise. Und es geht auch darum, wie beides zusammen hängt und den Zugang zu Medikamenten erschweren kann.

Zuerst zu den Preisen:

Letztes Jahr meldet Novartis einen Durchbruch mit dem genthera­peutischen Medikament Kymriha. Das Gute zuerst: für Kinder und junge Erwachsene, die an einer bestimmten Art von Leukämie erkrankt sind, gibt es Hoffnung auf Heilung.

Neue Dimensionen erreicht aber auch der – im doppelten Sinne einmalige – Behandlungspreis von fast USD 500'000. Sie, Herr Dr. Reinhardt haben diesen Preis in den Medien vehement verteidigt mit dem Verweis, dass er an den Behandlungserfolg gekoppelt sei.

Bei solchen Preisen wüsste die Öffentlichkeit aber auch gerne, wie sie zustande kommen. Wird da gewürfelt oder einfach mal probiert wo die Grenzen liegen?

Die Erfahrung von Actares ist: Wenn immer wir Novartis nach mehr Transparenz beim Zustandekommen von Medikamentenpreisen fragen, erhalten wir Absagen mit Verweis auf das Geschäftsgeheimnis.

Der Druck auf mehr Transparenz aber wird zunehmen. Bereits jetzt liest man man über abenteuerliche Gewinnmargen, auch wenn man Forschung, Entwicklung und Patentdauer mit einbezieht.

Wir fragen Sie deshalb:

  • Würde es Novartis nicht gut anstehen einen Modus zu finden, um mehr Transparenz zu schaffen, ohne gleichzeitig der Konkurrenz alle Bücher öffnen zu müssen? Wir erwarten ja nicht eine detaillierte Zusammenstellung für ein bestimmtes Medikament. Uns würde im Moment nur schon eine ungefähre Aussage über die Anteile von Forschung und Entwicklung und von Herstellung und Vermarktung reichen. Ihr Geschäftsbericht ist voll von interessanten grafischen Darstellungen. Warum nicht einmal zu diesem Thema?

Und als Anschlussfrage:

  • Denkt Novartis auch an diejenigen, die solche Preise privat oder über ihre Versicherungsprämien bezahlen müssen? Wir alle, die wir uns nicht wie ein Novartis Verwaltungsratsvorsitzender mit drei Monaten Arbeit ein eine halbe Million teures Medikament leisten könnten, sondern vielleicht fünf oder mehr Jahre dafür arbeiten müssten, können im Moment nur die Faust im Sack machen. Oder, wie in der Schweiz möglich, über eine Initiative nachdenken.

Jetzt aber zum Thema Medikamentenzugang und Preise. Preise sind ein Hindernis beim Zugang zu Medikamenten, insbesondere wenn sie durch illegale Absprachen in korruptionsanfälligen Staaten hochgehalten werden wie in Grie-chenland bis zur Eurokrise.

Seit spätestens 2016 gibt es Vermutungen, dass Novartis in Griechenland in ein solches Szenario involviert ist.

Kurz vor der Generalversammlung 2017 kam die Nachricht, dass ein Novartismanager in Athen einen Suizidversuch unternommen hatte.

Seit Februar 2018 verdichten sich die Anzeichen. Und diesmal sind es nicht oder nicht nur Ärzte, die profitiert haben sollen, sondern die politischen Eliten, die sich vermutlich auch dank Novartis die Taschen gefüllt haben sollen. Jedenfalls liegt beim Bundesamt für Justiz in Bern inzwischen ein Rechtshilfegesuch aus Griechenland und den USA vor.

Was Novartis und Fehlverhalten anbelangt, habe ich resigniert. Ich stelle Ihnen auch nicht mehr die Frage, warum Sie diese Probleme trotz aller Versprechen offenbar nicht in den Griff bekommen. Weil ich wie jedes Mal ähnliche Antworten und Versprechen bekomme.

Darum stimmt Actares heute beim Traktandum 2 gegen die Entlastung des Verwaltungsrates und der Geschäftsleitung.

Nur so soviel:

Herr Narasimha, wir setzen unsere Hoffnungen jetzt auf Sie. Bezüglich Forschung und Entwicklung scheint uns Novartis auf gutem Weg. Sorgen Sie endlich dafür, dass dies künftig auch für Marketing und Vertrieb gilt. Räumen Sie die Altlasten gründlich auf. Bei allem Lobenswerten der Leistungen von Novartis: Korruption darf nicht zur Tradition werden.

Ich wünsche mir, dass dieses Thema endlich zu einem Ende kommt und wir nächstes Jahr mal wieder über Erfreulicheres reden können.

Besten Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Votantin: Veronika Hendry, Präsidentin Actares)