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Bleiben Sie vernünftig, liebe Verwaltungsrats-präsidenten!

Actares – Aktionärinnen und Aktionäre für nachhaltiges Wirtschaften – fühlt sich gezwungen, zur kürzlich publizierten, oberflächlichen und irreführenden Argumentation von 15 Schweizer Verwaltungsratspräsidenten gegen die Konzernverantwortungsinitiative Stellung zu nehmen.

Teuer ist sie, die Kampagne von 15 Verwaltungsratspräsidenten, darunter keine Frau, mehrheitlich Gesprächspartner von Actares im ständigen Dialog über eine faire und nachhaltige Unternehmemspolitik. Die Herren betonen zwar in blumigen Worten, dass ihnen der Schutz von Mensch und Umwelt wichtig sei. Ihre Argumentation gegen die Konzernverantwortungsinitiative dagegen ist oberflächlich und nicht zutreffend:

Haftung für das Verhalten Dritter: Stimmt nicht. Sachverhalte ausserhalb des Konzerns sind kategorisch ausgeschlossen. Die haftungsrelevante Kontrolle ist nur dort gegeben, wo das Unternehmen im engen Kreis des Konzerns seine einheitliche Leitung gegenüber dem abhängigen Unternehmen durchsetzt. Es gibt keine Haftung für Zulieferer- oder Subunternehmer.

Dauerstress wegen Schuldvermutung: Von den börsenkotierten Unternehmen wird schon lange erwartet, dass sie ihre Risiken im Umgang mit den international anerkannten Menschenrechten und Umweltstandards ermitteln, Massnahmen zur Verhütung von Verletzungen ergreifen und darüber berichten. Wer dies mit der nötigen Sorgfalt macht, kann Schäden an Leib, Leben und Eigentum vermeiden und sich im Konfliktfall aus der Haftung befreien. Die meisten Konzerne halten sich an diese Standards.

Wenn es in einzelnen Fällen zu Verfahren kommen sollte, bleibt die Beweislast so, wie es in der Schweiz üblich ist: Die Geschädigten müssen Schaden, Widerrechtlichkeit, Kausalität und die Kontrolle durch den Konzern beweisen. Wenn die Schweizer Konzernzentrale angemessene Schritte ergriffen hat, um einen Schaden zu verhindern, wird die Klage abgewiesen. Weil das teuer werden kann, können sich nur wenige Geschädigte einen schweizerischen Zivilprozess leisten.

Rechtsanwendung ohne Grenzen: Leider leben nicht alle Menschen in einem stabilen Rechtsstaat mit einer funktionierenden Justiz. Dadurch werden faktisch rechtsfreie Räume geschaffen, in denen Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden riskiert werden können. Deshalb hat sich international die Auffassung durchgesetzt, dass multinationale Firmen stärker in die Verantwortung genommen werden sollen. Die Annahme der Konzernverantwortungsinitiative wäre kein Alleingang der Schweiz.

In Ländern wie etwa Kanada, Grossbritannien, Frankreich oder den Niederlanden können Geschädigte bereits heute Wiedergutmachung für Schäden durch Konzerne im Ausland verlangen. Zudem sind unsere Zivil- und Handelsgerichte darin geübt, internationale Vorkommnisse und Fakten zu beurteilen. So sagt der langjährige Zürcher Oberrichter Alexander Brunner: «In meiner 20-jährigen Praxis als Oberrichter am Handelsgericht Zürich, das auf Wirtschaftsfälle spezialisiert ist, waren rund ein Drittel aller Verfahren Prozesse mit Auslandbezug.»

In den letzten Jahrzehnten hat sich eine wachsende Kluft aufgetan: Hier die Möglichkeiten der Konzerne, transnational zu operieren, da die Begrenzung der Nationalstaaten, nur für ihr Territorium regulieren zu dürfen. Deshalb ist die Konzernhaftung für mangelnde Sorgfalt im Umgang mit Biodiversität, Klima, Menschenrechten, Mitarbeitenden und Umwelt in vielen europäischen Ländern und auch auf EU-Ebene zuoberst auf der Agenda. In Deutschland etwa wollen die Arbeits- und Sozialminister vorangehen und bis 2021 ein nationales Lieferketten- oder Sorgfaltspflichtengesetz verabschieden. Dies weil der bisherige Ansatz des freiwilligen Engagements keine befriedigenden Resultate erbracht habe.

Actares steht für eine eigene Gesetzesvorlage statt für den EU-Nachvollzug

Soll die Schweiz nun zuwarten, bis wir EU-Recht einmal mehr «autonom nachvollziehen» müssen? Oder sollen wir für einmal vorangehen und dafür sorgen, dass den Grundsätzen der Volksinitiative mit einer nach unserem Rechtsverständnis einwandfreien und praxistauglichen Gesetzesvorlage Nachachtung verschafft wird? Actares steht für diesen zweiten Weg und geht davon aus, dass die 15 Verwaltungsratspräsidenten im Rahmen des langen parlamentarischen Prozesses noch ausreichend Gelegenheit haben, ihre Interessen einzubringen.