Interview: Tobias Jung

Tobias Jung ist Mitglied der Geschäftsleitung von Inrate und Leiter des Research-Teams. Nach einem Studium der Umweltnaturwissenschaften mit den Schwerpunkten Chemie, Energie- und Stoffflüsse an der ETH Zürich wirkte Tobias Jung bei der Überarbeitung des Dow Jones Sustainability Group Index mit. Dank seinen späteren Funktionen bei Zurich Financial Services und Care Group wurde er zum Experten für die Beziehungen zwischen Finanzen und Umwelt. Er nimmt Stellung zum Thema der Studie, die ACTARES hinsichtlich der Klimabelastung der Investitionen von Versicherungsgesellschaften in Auftrag gegeben hatte.

Die grossen Unternehmen setzen sich engagiert für die Nachhaltigkeit ein. Sie sind zertifiziert, beteiligen sich an internationalen Initiativen wie dem «Global Compact» der UNO und nehmen am «Carbon Disclosure Project» teil. Warum sind deren Kapitalanlagen interessant?
Hauptsächlich, weil die von den Finanzgesellschaften gehaltenen oder kontrollierten Anlagen sich quantitativ viel mehr auf das Klima auswirken als die direkte Tätigkeit dieser Unternehmen. Zudem erfordert die Energiewende grössere Investitionen, und insbesondere die Versicherungen verfügen über Mittel, die dazu beitragen könnten.

Die Schweizer Versicherungsgesellschaften zählen bereits zu den MusterschülerInnen: Sie rangieren bei Nachhaltigkeitsindizes oder -klassierungen regelmässig ganz oben. Hat die Studie diese guten Absichten bestätigt?
Die von Inrate im Auftrag von ACTARES durchgeführte Studie bezweckte keinen internationalen Vergleich, sondern beschränkte sich auf die teilnehmenden Gesellschaften. Die Bedeutung der indirekten Emissionen von Anlagen ist weitgehend anerkannt. Konkrete Bestimmungen, sie zu verringern, stecken aber noch in den Kinderschuhen. Es gibt jedoch keine Anhaltspunkte, dass ausländische Gesellschaften in diesem Bereich weiter fortgeschritten sind.

Zurich Insurance Group hat Anfang Jahr angekündigt, eine Milliarde Franken in umweltfreundliche Anlagen investieren zu wollen, in «Green Bonds». Widerspricht dies nicht den Ergebnissen der Studie?
Nein, es gibt keinen Widerspruch zu den Schlussfolgerungen der Studie. Zwar ist eine Milliarde Franken eine beeindruckende Summe, doch entspricht sie lediglich 0.5 % der Anlagen von Zurich. Es ist also eine einmalige Aktion, die nicht das Verbesserungspotenzial des restlichen Portefeuilles ausgleicht. Das Signal ist jedoch positiv, und das Angebot der grünen Obligationen erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Dies bietet den Versicherungen immer mehr Möglichkeiten, um auf verantwortliche Art und Weise zu investieren.

Wenn man die Ergebnisse der Studie betrachtet, soll dieser Weg weiterverfolgt, erweitert oder verändert werden? Welches sind die Perspektiven?
Es lohnt sich sicherlich, diesen Weg weiterzuverfolgen. Jedoch unter einer Bedingung: Da die Daten, die von den Versicherungsgesellschaften öffentlich zugänglich gemacht werden, nicht ausreichen, müssten die Versicherungen künftig eine verbesserte und offenere Zusammenarbeit bei solchen Studien ins Auge fassen. ACTARES muss sie ermutigen, den Stand ihrer Anlagen konsequenter und mit einem Bericht über ihre Klimabelastung zu veröffentlichen.

Inrate