Editorial: Unbekannte Aktionärinnen und Aktionäre

Viele Unternehmen kennen einen grossen Teil ihres Aktionariates nicht und empfinden dies als Problem. Dabei geht es nicht um die von ACTARES verwendete Unterscheidung zwischen direkten und indirekten AktionärInnen. Letztere besitzen selbst keine Aktien, sind aber über ihre Pensionskasse, mit Fonds oder Sparformen der dritten Säule an Aktien beteiligt. Als indirekte AktionärInnen können sie keinen Einfluss nehmen auf die Firmen, da ihnen keine Stimmrechte zustehen.

Den Unternehmen sind viele AktionärInnen deshalb nicht bekannt, weil sie sich nicht im Aktienregister eintragen lassen und so freiwillig auf ihre Stimmrechte verzichten. Das Ausmass und die stetige Zunahme dieses Phänomens geben zu denken. Nicht alle Unternehmen des SMI (Swiss Market Index) veröffentlichen dazu Zahlen. Der Anteil an nicht eingetragenen AktionärInnen geht von 25% bei Novartis über knapp 30% bei Nestlé, 40% bei der CS Group, 42% bei UBS bis zu 45% bei Swiss Life. Die Gefahr einer überraschenden unfreundlichen Übernahme nimmt entsprechend zu.

Eine Hauptursache für diese hohen Anteile ist der kurzfristige Handel, bei dem die Titel jeweils nur kurze Zeit in den gleichen Händen liegen. Die Unternehmen empfinden diese Situation zwar als Problem, sind sich aber uneinig, ob eine gesetzliche Eintragungspflicht einzuführen sei. Manche befürchten, damit den Aktienhandel zu behindern.

Während die eine Gruppe von AktionärInnen ihre Verantwortung durch das aktive Ausüben der Stimmrechte wahrnehmen will und andere versuchen, die Verwaltung ihrer Pensionskasse oder Fonds dazu zu bewegen, gibt es offenbar eine grosse Gruppe, die überhaupt nicht an ihren Stimmrechten interessiert ist. Diese Gruppe äussert ihre Meinung über das Unternehmen ausschliesslich durch den Kauf oder Verkauf der Papiere. Nur die Rendite muss stimmen.

Aus der Sicht der Nachhaltigkeit müssten die Unternehmen an einem stabilen und ihnen bekannten Aktionariat interessiert sein. Die gesetzliche Eintragungspflicht wäre eine radikale Massnahme. Eine andere Möglichkeit, die Eintragung attraktiver zu machen, wäre, eingetragene Aktien zu bevorzugen. Zum Beispiel könnten nur solche Aktien dividendenberechtig sein oder sie würden eine höhere Dividende erhalten als die nicht eingetragenen. Auf diese Weise würde die längerfristige Investition ins Unternehmen belohnt und die kurzfristige Spekulation gedämpft.