Editorial: Gesprächskultur von Schweizer Grossunternehmen – Nestlé oder Novartis?

"Es ist manchmal schwer, offen und konstruktiv zu sein, wenn man dauernd angegriffen wird". Dies seufzte Daniel Vasella, nachdem Greenpeace-Mitglieder vor den Toren der Generalversammlung von Novartis eine als Chemiemülldeponie gestaltete Riesentorte angeschnitten hatten. Drinnen im Saal forderten Aktionärinnen und Aktionäre die sofortige Sanierung realer Deponien in der Region Basel.

Offenheit und Dialogbereitschaft gehören zweifelsohne zu den Fähigkeiten, die Führungskräfte von Grossunternehmen heutzutage haben müssen. Beim Besuch verschiedener Aktionärsversammlungen haben Mitglieder von ACTARES dieses Jahr enorme Unterschiede in der Gesprächskultur von Schweizer Grossunternehmen festgestellt. Besonders negativ aufgefallen ist der Nahrungsmittelkonzern Nestlé. Waren die Hoffnungen auf Veränderungen vergebens?

Nestlé bot Anschauungsunterricht, wie der Dialog mit Anspruchsgruppen nicht gestaltet werden kann. So liess die Nestlé-Führung nicht zu, dass zutritts- und votumsberechtigte Vertreterinnen des IBFAM (International Baby-Food Action Network) nach einer ungenügenden Antwort ein zweites Mal das Wort zu ergreifen konnten. Die GV sei „kein Debattierklub, sondern eine Aktionärsversammlung". Nestlé hinderte zudem den Vertreter der Arbeitsgruppe Schweiz – Kolumbien daran, das Votum eines kolumbianischen Gewerkschaftsvertreters auf Deutsch zusammenzufassen, und zeichnete sich generell durch einen äusserst schroffen und aggressiven Umgangston aus.

Anders Novartis: Obwohl diese Firma mit den ungesicherten Chemiemülldeponien unter erheblichem öffentlichem Druck steht und im Vorfeld der GV Ziel von Protestaktionen von BürgerInnenkomitees und Nichtregierungsorganisationen war, bemühte sie sich an der Aktionärsversammlung um einen zivilisierten und konzilianten Ton und um eine ruhige Darlegung ihres Standpunktes. Ähnlich verhielten sich auch die übrigen Unternehmen, bei denen ACTARES seine Anliegen einbrachte. Auch wenn dies allein noch keine Probleme löst – es bietet die Basis für einen Dialog und ermöglicht allen Seiten, jenseits von voreilig zementierten Positionen eine Lösung zu finden.