Die Gretas der Genera­tion 65 plus

Heidi Witzig, Frauenrechtlerin, Actares-Mitglied und Mitgründerin des Vereins Klimaseniorinnen, engagiert sich generationenübergreifend: Ein bahnbrechendes Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte soll die Zukunft der Jungen sichern.

Actares: Warum engagieren Sie sich bei den Klima­seniorinnen?

Heidi Witzig: Ich gehöre zur älteren Generation, welche die Zukunft der Jungen verbaut hat. Ich habe zwar immer für grüne Anliegen und gegen AKWs gekämpft. Dennoch gehöre ich zur Generation, die gegenüber der Jugend eine Bringschuld hat. Wir sind sozusagen die Gretas der Über-65-Jährigen.

Actares: Wieso sind Sie gerade bei dieser Organisation aktiv?

Heidi Witzig: Ich habe den Verein Klimaseniorinnen mitgegründet. Der Vorstand, dem ich nicht angehöre, leistet hervorragende Arbeit. Ich unterstütze ihn als einfaches Mitglied mit Vorträgen, wenn dies gewünscht wird. Kernstück der Organisation ist die Klage gegen das Bundesgericht am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, die eine schnellere Umsetzung der Klimaziele erwirken soll, um die zugesicherte CO2-Reduktion zu erreichen. Es ist wissenschaftlich erwiesen und vom Bundesamt für Gesundheit bestätigt, dass Frauen über 65 Jahre besonders empfindlich auf Hitzewellen reagieren. Darauf basiert die Klage. Der Europäische Gerichtshof ist auf unsere Klage eingetreten, das Bundesgericht muss jetzt Stellung beziehen.

Actares: Sie hoffen, dass ein positives Urteil die Anliegen aller Klimabewegungen der Schweiz auf einen Schlag erfüllen kann?

Heidi Witzig: Es wäre jedenfalls ein Paukenschlag. Und die Vorstellung, einen Riesenhebel in Bewegung gesetzt zu haben, begeistert mich. Wir können für die nachkommende Generation viel bewirken.

Actares: Sie haben sich zeitlebens für Frauenrechte eingesetzt. Warum?

Heidi Witzig: Ich unterstütze jedes Engagement, dass sich gegen Ungerechtigkeit richtet. Mit der Frauendiskriminierung habe ich aber meine ganz persönlichen Erfahrungen gemacht. Vom Frauenstimmrecht, das ich in jungen Jahren nicht hatte, über das ungerechte Eherecht, das mit Müh und Not und viel zu spät geändert wurde, bis zum Gleichstellungsartikel, der erst mit dem Frauenstreik endlich in Kraft trat. Als Mädchen habe ich in der Schule noch erlebt, dass es zweierlei Staatskundebücher gab: jenes für die Knaben und jenes für die Mädchen. Da fehlten viele Seiten, wir sollten ja vom politischen Teil nichts mitbekommen, nur das Familienrecht hatte uns zu interessieren.

Actares: Diese Zeiten sind zum Glück passé. Heute kämpfen Frauen und Männer gemeinsam – so etwa für die Konzernverantwortungsinitiative, die Actares im Jahr 2020 unterstützte.

Heidi Witzig: Ja, der Frauenanteil bei den Ja-Stimmen lag über 50 Prozent, jener der Männer darunter.

Actares: Was erwarten Sie als Mitglied von einer NGO wie Actares?

Heidi Witzig: Genau das, was Actares macht: die Wirtschaft zu mehr Nachhaltigkeit zu bewegen. Damit eine nachhaltige Entwicklung kein Lippenbekenntnis bleibt. Laut und deutlich, klar und scharf.

Actares: Wir sind bemüht, kritisch, aber konstruktiv in den Dialog mit den Konzernen zu treten. Ist Ihnen das zu zahm?

Heidi Witzig: Scharf und kritisch zu sein heisst nicht, destruktiv zu sein. Mit der Klage der Klimaseniorinnen greifen wir den Bundesrat ja auch nicht an. Wir versuchen, ihn in eine Richtung zu bewegen, die zukunftsfähig und verantwortungsvoll ist. Es geht darum, eine Haltung zu beeinflussen. Das ist auch die Aufgabe von Actares: die Haltung der Konzerne in Richtung Nachhaltigkeit zu bewegen.

www.klimaseniorinnen.ch