Schwerpunkt: Bleiben wir im Dialog!

Actares hat sich in den letzten Jahren mit Worten, Taten und Franken für die Konzernverantwortungsinitiative eingesetzt. Das Stimmvolk hat sich für den Gegenvorschlag entschieden. Was heisst das und was erwarten Fachleute von einer verantwortungsvollen Wirtschaft?

«Menschenrechte und Umweltschutz wer­­­­den als zentrale Teile des Menschseins banalisiert.»
Monika Roth, Juristin, Richterin und Co-Präsidentin Konzern­verant­wortungs­initiative

«Legitim zu handeln, erfordert mehr als nur dem Buchstaben des Gesetzes zu folgen.»
Karl M. Leisinger, eh. Ciba Geigy-Direktor und Präsident Globale Werteallianz

Das Problem sei, so Monika Roth, Co-Präsidentin der Konzernverantwortungsinitiative, dass mit dem Gegenvorschlag eine pfannenfertige Vorlage vorgegaukelt wurde. Das stimme aber nicht, sagt die Juristin. Der Bundesrat habe bei den Ausführungsbestimmungen immer noch viel Spielraum, beispielsweise bei den Ausnahmeregelungen oder der Umschreibung der Sorgfaltspflichten. «Die nicht-finanzielle Berichterstattung muss aber klar und konkret ausformuliert, die Compliance-Hürden hoch gesetzt werden», verlangt sie. Sie sei nicht zuversichtlich, dass die neuen Vorgaben wirklich eine Veränderung bewirkten.

Wir erinnern uns: Die Stände hatten die Initiative abgelehnt und stattdessen den laut Monika Roth alles andere als pfannenfertigen Gegenvorschlag gutgeheissen, ein Volksmehr hingegen stimmte ihr zu. «Die Akzeptanz des Anliegens bleibt gross, und es scheint in der Bevölkerung klar, dass Konzernverantwortung ohne gesetzliche Vorgaben nicht funktioniert», so Roth. Enttäuscht sei sie nicht vom Volk, sondern von den Konzernen, die Menschenrechte und Umweltschutz «als zentrale Teile des Menschseins nach wie vor banalisieren».

Die ewig gleiche Argumentationslitanei sei ins Feld geführt worden. Bedrohung des Wirtschaftsstandortes und Gefährdung der Arbeitsplätze, «als ob unser Wohlstand nur durch Verletzung der Menschenrechte möglich sei». Das Ärgerlichste aber sei, dass mit der verpassten Chance einer moderaten Regulierung der Konzernverantwortung nun der Druck steige, dass sich die Schweiz in absehbarer Zeit dem EU-Recht anpassen müsse. «Und in Brüssel wird ein weit schärferes Gesetz verhandelt, das die Konzerne viel mehr einschränkt.» Sie wolle doch nicht an eine Wirtschaft glauben, die immer auf Druck von aussen agieren müsse.

Schockiert über fehlendes Engagement
Klaus M. Leisinger, ehemaliger Ciba Geigy-Direktor und später Mitgründer der Novartis-Stiftung für Nachhaltige Entwicklung, engagiert sich heute als Präsident der «Globalen Werteallianz für eine Globalisierung mit menschlichem Antlitz». Er war nicht ein Kämpfer für die Initiative, weil er der festen Überzeugung war, dass es diese gar nicht brauche. «Die Konzerne werden die willkommene Gelegenheit aufnehmen, das Thema ‘Menschenechte und Unternehmen’ von selbst aufzugreifen, davon war er jedenfalls überzeugt. Es könne ja nicht um «Ja» oder «Nein» gehen, sondern nur um das «Wie?» – so dachte er im Lancierungsjahr der Initiative 2015. «Denn der Dialog zwischen aufgeklärten Akteuren aus Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Kirchen kann zu einer Konsens-Lösung führen, die letztlich ein bürokratisches Monster verhindert». 

Dass ein freiwilliges Dialog-Engagement der Konzerne nicht stattfand, dass im Gegenteil das Thema Verbänden übergeben wurde, «die doch immer nur den kleinsten gemeinsamen Nenner vertreten dürfen und diese ohne Differenzierung eine schwarz-weiss Gegenkampagne führten», irritiert Leisinger bis heute zutiefst. Feindbilder seien heraufbeschworen worden, und zwar von beiden politischen Lagern: Von den Wirtschaftsvertretern die immer gleiche Drohkulisse, dass das Anliegen Arbeitsplätze gefährde. Und die Linke habe die Konzerne als habgierige Sündenböcke unter Pauschalverdacht gestellt. «Auf dieser Basis sind Kompromisse in der Sache nicht mehr möglich – komplexe Probleme sind aber ohne Kompromisse nicht lösbar.»

Legal versus legitim
Nun fordert Leisinger einen Dialog über eine aufgeklärte Umsetzung des Gegenvorschlags. «Aufgeklärte Persönlichkeiten aus Unternehmen wollen legitim handeln, also nach bestem Wissen und Gewissen. Das erfordert mehr Verantwortungsbereitschaft als Unternehmensführung ausschliesslich nach dem Buchstaben des Gesetzes einkommensschwacher Länder. «Wenn es um Menschenrechte und Nachhaltige Entwicklung geht, geht es um ethische Perspektiven. Gesetze aber sind immer nur das ethische Minimum.» Leisinger hat zeitgleich zur Abstimmung über die Konzernverantwortungsinitiative einen Leitfaden für Führungskräfte publiziert. In «Integrität im geschäftlichen Handeln» (Reinhardt Verlag, Basel 2020) stellt er Erkenntnisse und Instrumente vor, die im geschäftlichen Alltag dabei helfen sollen, mit dem moralischen Dilemma umzugehen und auf Basis allgemein gültiger Werte Lösungen zu erarbeiten. Viele Erfahrungen steuert der Autor aus seinem eigenen langen Berufsleben bei. Mit dem 408 Seiten dicken Buch will Leisinger Führungskräften guten Willens helfen, bei der Lösung komplexer Probleme verantwortungsvoll zu handeln. Sein Credo: «Leadership bedeutet mit gutem Beispiel voranzugehen».

Immerhin betont Justizministerin Karin Keller-Sutter, dass die Befürwortenden der Vorlage nicht mit leeren Händen dastünden: «Mit dem Gegenvorschlag wird für Unternehmen nun vieles verbindlich, was vorher freiwillig war», versprach sie am Abstimmungssonntag. Doch was das genau heisst, ist für die Juristin Monika Roth eine Blackbox. «Dieser Gesetzesartikel bedarf noch Ausführungsbestimmungen, welche ihn präzisieren, dies dürfte Zeit bis 2022 in Anspruch nehmen».

Der Verein Konzernverantwortungsinitiative hat sich in diesen Wochen neu aufgestellt. Auch bei Roth bleibt das Thema Verantwortung der Wirtschaft gegenüber Umwelt und Menschenrechten jetzt erst recht auf dem Tisch. Auch sie plant darüber zu publizieren. Und sie will sich in die nun anstehenden politischen Diskussionen, die der Gegenvorschlag zur Initiative erfordert, einmischen.


Stimme der Klima­bewegung

Benedikt Oeschger, Maturand und Mitglied der Klimabewegung

Zur Sicherung der Lebensgrundlage müssen wir unsere Wirtschaft tiefgreifend verändern und weiterentwickeln: Wirtschaftliches Handeln muss als langfristiges Ziel das Wohlergehen aller Menschen verfolgen. Zweck ist die Befriedigung der Bedürfnisse.

(Soziale) Verantwortung und andere externe Kosten dürfen nicht länger auf das Gemeinwesen abgewälzt werden. Die Kosten, das 1,5-Grad Klimaziel zu erreichen, steigen mit jedem Jahr der Untätigkeit um mehrere Billionen Dollar, seit 1980 haben sich diese inflationsbereinigt verdoppelt! Diese externen Kosten müssen in das Marktwesen integriert und die Fähigkeiten der regulierten Märkte genutzt werden, wie dies der CO2-Zertifikatehandel zeigt.

Der Kern der angelaufenen Transformation liegt im Wandel hin zu neuen Geschäftsmodellen und Unternehmensformen im Gesellschaftsrecht. Regierungen sind gefordert, letztere zu definieren – Stichwort: «Social Entrepreneurship» – sowie auch (inter-)nationale Verbindlichkeiten zu schaffen. Dazu sind sie, analog zur Auffassung des deutschen Verfassungsgerichts, sogar verpflichtet. Denn durch Untätigkeit würden die Möglichkeiten und die Freiheit der jungen und kommenden Generationen massiv eingeschränkt werden. Unternehmerinnen und Unternehmer müssen diesen Ball endlich aufnehmen. Mit dem Übergang hin zu einer Kreislaufwirtschaft und nachhaltigen Lieferketten können sie bei der Bewältigung der Probleme der Zeit wie Ungleichheit, Klimawandel, Biodiversitätsschwund eine wichtige Funktion einnehmen. Profilierte Stiftungsunternehmen wie beispielsweise Bosch oder Zeiss zeigen seit langer Zeit, dass solche Ideen nicht neu sind und sich Wirtschaftlichkeit mit gesellschaftlicher Verantwortung vereinen lässt.

Diese Veränderung wird durch neue Möglichkeiten und Perspektiven in ökologischer, gesellschaftlicher wie unternehmerischer Hinsicht belohnt!